Türkei im Demokratierausch

Die Türkei ist im Demokratierausch. Wichtiger als was gerade passiert, ist das, was nicht passiert. Nämlich kein Putsch. Das Militär ist von allen Beteiligten (ausser Sezer) in die Schranken verwiesen worden. Einige zurückgebliebene Politker und Zivilgesellschaften würden zwar weiterhin alles dem Militär überlassen, aber das Volk nicht. Das Volk scheint endgültig die Nase voll zu haben von Staatsstreichen.

Die Massendemostrationen der letzten zwei Wochen haben zwei klare signale gesetzt:

  1. Die Demonstranten wollen kein AKP-Mitglied als Präsidenten haben
  2. Die Demonstranten wollen keinen Militärputsch mehr.

Viel wichtiger ist, was die Kolumnisten und sogar Oppositionspolitiker in der Zwischenzeit sagen und schreiben. Selbst die geistig/ideologisch zurück gebliebene CHP spricht davon, dass die Krise mit demokratischen Mitteln gelöst werden muss. Die Geister, die sie rief -in Form der Generalschaft- erschienen ihr wohl doch zu gefährlich. Selbst der geistig in den Achtzigern gebliebene Deniz Baykal spricht von Demokratie…

Massenproteste in Istanbul: “Ich will nicht mit Kopftuch in die Schule!”

Die mächtige Lobby-Organisation TÜSIAD hat vorgezogene Wahlen vorgeschlagen (vielmehr hat ihr Sprecher gesagt, dass das ganze jetzt nach vorgezogenen Wahlen aussieht). Die AKP sollte auf keinen Wahl den Forderungen nachgeben, denn dann würde es aussehen, als ob sie dem Druck der Generäle gewichen wäre. Das darf sie nicht machen.

Die Gewinnerin wird, sofern die AKP nicht nachgibt,die Demokratie sein. Ich gehe davon aus, dass das Verfassungsgericht eine “politische Entscheidung” treffen wird – wahrscheinlich sogar auf Wunsch der AKP. Das ist akzeptabel. Alternativ könnte die AKP vorschlagen, Bülent Arinç als Parlamentspräsidenten abzusetzen und ein CHP-Mitglied zu wählen – parallel zur Wahl des Präsidenten. Das könnte eine vollständig demokratische Lösung sein. Der neue Parlamentspräsident kann dann sofort das Parlament auflösen und Neuwahlen ansetzen.

Es ist das erste Mal in der türkischen Geschichte, dass Demokratie so gelebt wird. Im Parlament, hinter den Kulissen, in der Presse und auf der Strasse: Friedlich, freieheitlich, demokratisch.

Einzelne Meinungen von ewig gestrigen (auch in Leserkommentaren bei FAZ.NET, sei es von einer Ayse KUL, Franz Ujvar, oder A. Keller – wahrscheinlich sind es ein und dieselben unter: FAZ.NET: Testfall für Beziehungen zwischen Staat und Militär), die eine Lösung seitens des Militärs wollen, sind glücklicherweise eben das: Einzelmeinungn von ewig Gestrigen. Das Volk (und vielmehr die Wirtschaft und die Kommentatoren) haben entschieden. Militär hat sich gefälligst rauszuhalten. Der Vorgang ist demokratisch zu lösen.

Wie, das steht noch aus…