Die sozio-ökonomischen Auswirkung der P2P-Bewegung

16. – 19. Februar 2001 – Es ist wieder soweit, schon wider haben unsere grossen Marketing- und Vetriebsleute, unsere Redner und Denker, Wisser und Rater einen neuen Hype geschaffen. Wieder gibt es eine Möglichkeit für die Investoren, ihr Geld zu verbrennen, wieder hoffen sie auf das Gold, das irgendwo im Internet sein muss. Irgendwo dort muss doch Gold sein, oder?

P2P ist das Hype-Wort dieser Tage und alle machen mit. In Anlehnung an einen alten Anti-Kriegs-Spruch frage ich: “Stell’ Dir vor, es ist Hype und keiner investiert etwas!”

Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr komme ich zu dem Schluss, dass es sicher in bestimmten P2P-Anwendungen Silber geben muss – an Gold glaube ich nicht wirklich, weil das Gold, das die Risikokapitalgeber erwarten, schnelles Gold ist und das gibt es im P2P-Geschäft nicht! Aber Silber, das man langsam und vielleicht sogar mühsam abbauen kann.

Das echte Gold, das wertvolle Material aus dem die Träume geschaffen sind, liegt in P2P-Anwendungen ganz woanders. Und dieses Gold ist für Investoren absolut uninteressant, denn es lässt sich mit keiner Berechnungsmethode, die ihnen bekannt ist, in ihre Return-On-Investment-Berechnung einfliessen.

Dieses Gold ist die Fähigkeit der P2P-Anwendungen in Zusammenhang mit der Open-Source-Bewegung die Gesellschaft zu ändern. Nein, ich bin kein Idealist, der glaubt, dass man unsere Gesellschaft von heute auf morgen ändern kann. Auch glaube ich nicht daran, dass P2P/Open-Source nur positiv ist. Ich bin Realist, aber dennoch glaube ich, dass P2P die Gesellschaft eher ändern kann, als alle Internet-Techniken davor.

Wir haben erlebt, wie Technologie die Gesellschaft insofern verändert hat, als dass es die Gesellschaft in zwei Gruppen eingeteilt hat: a) Die Gruppe der Produzenten und b) die Gruppe der Konsumenten.

Die Gruppe der Produzenten musste entschieden kleiner sein als die Gruppe der Konsumenten, damit sich daraus auch ein wirtschaftlicher Vorteil schlagen lässt. Das ist das auf Mangel aufbauende Wirtschaftsprinzip: Es gibt eine kleine Gruppe an Produzenten, die für eine große Gruppe an Konsumenten produzieren. Angebot und Nachfrage regelt den Markt. Je kleiner das Angebot, desto höher der Preis.

Was ermöglicht Mangel-Wirtschaft?

Mangel-Wirtschaft entsteht, wenn entweder die Rohstoffe für ein zu produzierendes Produkt gering sind, d.h. der Mangel ist ein natürlichere Zustand (natürlich gegeben) oder wenn die Produktion einen hohen Aufwand bedeutet, so dass auf dem Weg vom Rohstoff zum Endprodukt verschiedene Teilnehmer der Wertschöpfungskette Wert hinzufügen und eines dieser Werte oder der Rohstoff für eines dieser Werte Mangelware ist.Am Beispiel eines beliebigen physischen Produktes lässt sich das relativ simpel darstellen: Bis aus Erzen, Erdöl und anderen Rohstoffen ein Auto entsteht, müssen viele Teilnehmer der Wertschöpfungskette Wert hinzufügen. Das heisst, es ist für den Endverbraucher, der ein Auto haben möchte, nicht möglich oder unrentabel, selber Erz abzubauen, Rohöl einzukaufen, etc. um sein Auto zu produzieren.

Erst durch Nutzung von Economies-of-Scale ist es möglich, ein Auto rentabel zu bauen. Daher sind an der Wertschöpfungskette beim Autobau sehr viele Teilnehmer beteiligt.

Ähnliches gilt für die klassische Musikindustrie vor dem Internet-Zeitalter: Für einen Künstler war es sehr schwer möglich, seine Musik rentabel zu vermarkten. Bei nichtphysischen Produkten wie Musik, Filmen, also bei geistigem Eigentum, gibt es verschiedene Geschäftsmodelle, die für den Urheber in Frage kommen:

  1. a) Nutzungsgebühr
  2. b) Gebühr für Kopien
  3. c) Eine Kombination der beiden Modelle

Wenn wir in der Zeit zurückgehen und uns die möglichen Geschäftsmodelle im Mittelalter anschauen, bleibt uns nur Modell a) übrig: Nutzungsgebühr. Bevor es eine Möglichkeit gab, geistiges Eigentum mechanisch zu vervielfachen, gab es nur das Modell der Nutzungsgebühr. Ein Musikstück wurde vorgetragen und die Zuhörer haben dafür gezahlt (oder auch nicht).

Wenn die Zuhörer für das vorgetragene Musikstück bezahlt haben, wurden ggf. weitere Musikstücke vorgetragen. Haben die Zuhörer dafür nicht bezahlt, gab es keine weitere Musik mehr (um das ganze recht vereinfacht darzustellen).

Es gab keine Möglichkeit, die Musik zu kopieren und wieder zu verwenden. Ähnliches galt für Bücher (bis Gutenberg die beweglichen Lettern erfand) und für Theater (bis der Film erfunden wurde).

Mit der industriellen Revolution kam auch suksessive die Möglichkeit, geistiges Eigentum zu kopieren in Form von akustischen Zylindern, später Schallplatten, Zelluloid und der Möglichkeit, Bücher immer schneller und einfacher zu duplizieren.

Nun entstand eine gigantische Industrie, die sich nahezu ausschliesslich durch die Dienstleistung des Kopierens von geistigem Eigentum finanziert. Damit entstand zum ersten Mal etwas, das sich vom geistigen Eigentum löste aber ohne geistigem Eigentum nicht überleben kann: Das Copyright, d.h. das Kopier-Recht.

Und damit entstand das Geschäftsmodell b): Gebühr für Kopien

Copyright, was ist das?

In einem Satz ist Copyright das Recht, das der Urheber eines Werkes an eine dritte Person abtritt, so dass diese dritte Person exklusiv berechtigt ist, Kopien vom Werk des Urhebers zu erstellen.Das Copyright wird überlicherweise vom Urheber eines Werkes exklusiv an ein Unternehmen übertragen, welches dieses Recht ausübt. In der Musikindustrie beispielsweise sind es die “Labels”, die dieses Recht bekommen. Bei Büchern, Bildern und ählichen Werken sind es verschiedene Verlage und bei den Filmen sind es die Filmstudios.

Der Konsument des geistigen Eigentums bekommt nur das Recht der Nutzung einer Kopie und zahlt für eine nahezu unbeschränkte Nutzung eine Gebühr für die Kopie, die er erworben hat.

Mit der Kopie hat er jedoch nur bestimmte Nutzungrechte erworben. Zu diesen Nutzungsrechten gehört üblicherweise das Kopier-Recht nicht dazu. Das wird den ersten Kopier-Rechtsinhabern vorbehalten. Damit darf der Konsument von Werken, von denen er eine Kopie erwirbt, keine weiteren Kopien erstellen.

Wenn es nach dem Willen der Kopier-Rechtsinhabern geht, würde der Konsument nicht mal das Recht bekommen, eine Kopie für den persönlichen Bedarf anzufertigen.

Das wird je nach geistigem Eigentum anders behandelt. Beispielsweise ist es bei Bildern oder Büchern nicht klar geregelt, ob der Konsument eine “Sicherheitskopie” machen darf oder nicht. Oder bei Bildern ist nicht geregelt, ob der Konsument nur die erworbene Kopie im Wohnzimmer aufhängen darf oder ob er eine zweite Kopie davon erstellen und im Arbeitszimmer aufhängen kann.

Bei Musik gibt es hierzu verschiedene Ansichten. In Europa scheint klar geregelt zu sein, dass der Konsument für den eigenen Gebrauch Kopien erstellen kann. In USA dagegen wird dieses Recht immer mehr ausgehöhlt bzw. untergraben, sei es mit technischen (SDMI), sei es mit juristischen Mitteln (DMCA).

Eine gigantische Industrie entsteht

Allein durch die Möglichkeit, Kopien vom geistigen Eigentum erstellen zu können, entstand ein auf Mangel aufbauender Wirtschaftszweig, der heute Milliarden und Abermilliarden an $ gross ist. Die Player dieses Wirtschaftszweigs (Medien) haben sehr früh festgestellt, dass ein Geschäftsmodell, das nur auf das Kopieren von Werken beruht, auf Dauer sehr kritisch sein kann, und dass sie sich verändern müssen.Die erste Erweiterung des Dienstleistungspakets orientierte sich richtung Urheberrechtsinhaber: Mehr Service!

Dieses erweiterte Serviceangebot beinhaltete insbesondere die Vermarktung des Werkes. D.h. die Medien fingen an, sich als Vermarktungsunternehmen anzudienen. Selbstverständlich hatte dies zur Folge, dass sie vom Gesamtumsatz am Werk einen größeren Anteil haben wollten. Mehr Service sollte auch mehr Umsatz bedeuten.

Der nächste Schritt orientierte sich richtung Konsumenten: Die Unternehmen fingen an herauszufinden, was die Konsumenten möchten, bevor die Konsumenten es selber wussten. Aus diesem Wissen heraus konnten die Unternehmen anfangen, die für die Konsumenten “richtigen” Werke zu suchen. Das hatte weniger zur Folge, dass der Anteil am Kuchen des Gesamtumsatzes am Werk größer wurde als vielmehr, dass der Marktanteil erweitert wurde, d.h. die Unternehmen machten sich gegenseitig den Markt streitig.

Weitere Schritte mussten folgen. Zu diesen gehörte insbesondere die Schaffung von Inhalten durch Re-Packaging von bestehenden Werken und zu guter letzt sogar die “Schaffung” von “Urheberrechtsinhabern” (Künstlern). Dies gipfelte darin, dass insbesondere in der Musikindustrie teilweise Künstler nur durch das Aussehen ausgesucht wurden und nicht durch die Musik. Denn, die Musik konnte ein anderer Künstler erstellen.

Somit wurde das Werk immer abstrakter und weiter vom Künstler getrennt. Es entstand ein gigantischer Industriezweig, in dem nicht mehr ganz klar ist, wer überhaupt das Urheberrecht hat. Ist es der Künstler, der es vorträgt, ist es das Unternehmen, das es vermarktet, ist es das Medium, über dem es transportiert wird?

Eins war und ist jedoch klar: Es ist nicht der Konsument. Der Konsument soll konsumieren und zahlen. Und wenn möglich soll der Konsument für jeden Konsum einzeln bezahlen. Zurück ins Mittelalter?

Zurück ins Mittelalter?

Richard Stallmann führt in seinem Essay in “OpenSources” aus, dass es sich beim Kopier-Recht einzig und allein um ein von der Regierung unterstütztes Monopol handelt. Er drückt es in Zusammenhang mit “Intellectual Property” aus, lässt sich jedoch nahezu ohne jede Änderung auf das Kopier-Recht übertragen. Das Kopier-Recht ist das Recht, das der “Intellectual-Property-Owner”, d.h. des Urheberrechtsinhaber, auf eine Institution überträgt.Zurück ins Mittelalter scheint für viele wie ein Rückschritt zu klingen. In Wahrheit ist es im Falle des Kopier-Rechts ein Schritt richtung Zukunft. Wahrscheinlich der einzig richtige Schritt. Dabei geht es mir nicht darum, ein Geschäftsmodell basierend auf eine Nutzungsgebühr einzuführen, sondern vielmehr darum, dass der Urheberrechtsinhaber direkt kompensiert wird und nicht über einen Kopier-Rechtsinhaber.

Wie bereits oben erläutert wurde im Mittelalter der Urheberrechtsinhaber direkt kompensiert (oder auch nicht). Es gab keinen “Mittelsmann”, der sich wie ein Raubritter zwischen dem Konsumenten und dem Urheberrechtsinhaber zwischenschaltete.

Es war jedoch bis zur “Erfindung” des Internets, d.h. bis zu einer solchen Kommerzialisierung des Internets, dass sich “jeder” einen Internetzugang leisten kann, nicht möglich, die Kopier-Rechtsinhaber auszuschalten. Denn diese beherrschten die Maschinen, mit denen man Kopien von geistigen Eigentum anfertigen und vermarkten kann.

Mit der Kommerzialisierung des Internet war es für technisch versierte Künstler endlich möglich, ihre Werke einem breiten Publikum ohne die Raubritter anzubieten, d.h. das Problem des Kopierens wurde gelöst, denn im Internet werden Daten ausgetauscht und wenn Musik, Texte und Bilder, Filme und Graphiken, wenn also geistiges Eigentum in Form von Bits und Bytes dargestellt werden kann, dann lässt es sich auch ohne grossen Aufwand 1:1 kopieren.

Aber es tat sich nichts. Es gab kaum Angebote, und wenn, dann waren sie kaum zu finden.

Denn es blieb das Marketingproblem: Wie sollte der technisch versierte, jedoch “arme” Künstler seine potentiellen Fans, seine Leser, Zuhörer, Zuschauer und Betrachter erreichen?

Das Internet ist eine Ansammlung von Gegensätzen: Auf der einen Seite kann man sich im Internet wie auf einem arabischen Bazar fühlen, voller Menschen, die reden, schreiben, schreien, zuhören, verkaufen, kaufen. Auf der anderen Seite kann man sich auch wie in der Wüste fühlen, auf dem unendlichen Ozean, ganz allein, keine Menschenseele schaut vorbei…

Alles nur eine Frage der finanziellen Mittel: Je mehr man investiert, desto mehr Menschen versammeln sich um einen.

Bis P2P kam.

P2P: Das Allheilmittel?

Bis zu dem Zeitpunkt, an dem P2P der Durchbruch gelang oder noch gelingt, war es für einen Konsumenten relativ klar, was er im Internet macht: Schauen, welche Anbieter es gibt. Und für die Urheberrechtsinhaber? Für sie blieb nur übrig, zum grössten Anbieter mit dem höchsten Traffic zu gehen und zu versuchen, das eigene Angebot unterzubringen.Wie auf einem Bazaar… Urheberrechtsinhaber mussten versuchen, den besten, größten und meistbesuchtesten Markt zu finden. Und allein dafür bezahlen, dass man auf diesem Markt etwas anbieten durfte.

Aber nicht jeder kann auf diesen Märkten anbieten, denn der Besitzer des Marktes entscheidet, wer, was, wann und zu welchem Preis anbieten darf.

Amazon’s Versuch, mit zShops einen “freien” Marktplatz zu schaffen ist aus der Sicht der Anbieter kläglich gescheitert, denn entweder waren die Gebühren zu hoch, die Rahmenbedingungen zu einschränkend oder die Kundschaft zu “schäbig”.

Was bleibt ist eine Landschaft voller Frust, Enttäuschung, eine Strasse verlorener Träume.

Dann kam Napster. Wie der Regenbogen nach der Flut, wie der erste Sonnenstrahl nach einem harten Winter, wie ein weisser Ritter in seiner strahlenden Rüstung! Daher kam Napster.

Selbstverständlich war Napster nicht das erste Produkt im Bereich P2P, auch nicht das beste, eher eines der schlechteren! Aber es war das prominenteste! Napster hat den Begriff des “P2P” erst bekannt gemacht. Peer-2-Peer heisst jetzt die Devise. Und: Napster hat viele Fehler gemacht, die die anderen P2P-Teilnehmer hoffentlich nicht machen.

Wieder nehmen unsere Auguren Eingeweide auseinander, beobachten den Flug der Vögel, befragen ihre Kristallkugeln und versuchen herauszufinden, wo das Gold denn nun liegt in diesem Internet.

Was sie jedoch nicht sehen ist das offensichtliche: P2P ermöglicht es zum ersten Mal, jedem, der über einen Computer verfügt, sein geistiges Eigentum auf dem einfachsten Weg zu veröffentlichen. Einer breiten Masse zur Verfügung zu stellen. Eine gigantische Zielgruppe zu erreichen ohne Marketing, ohne Raubritter, “einfach so”, so einfach, wie eine Kaffemaschine zu benutzen.

“Wie? Das sollte doch das Web ermöglichen, darauf haben wir alle doch gehofft, das haben wir alle doch gedacht” wird der geneigte Leser sagen. Aber das Web ist eine Einweglösung. Das Web war niemals als eine beidseitig befahrbare Strasse gedacht. Es war immer eine Einbahnstrasse. Zum Konsumieren.

Und darüber hinaus: Wer schon mal versucht hat, einen Webserver aufzusetzen, ein Webangebot zu erstellen, wird ein Klagelied davon singen, wie schwierig es für einen normalsterblichen, technisch unversierten Anwender es ist, ein Webangebot zu erstellen:

  • Einen Webhoster finden
  • Verträge abschliessen
  • “Komische” HTML-Seiten erstellen
  • “Links” erstellen, damit auch von den HTML-Seiten die richtigen Dateien (Musik, Fotos, Filme, etc.), die man anbieten möchte, gefunden werden
  • Alles “Uploaden”

Tja, und dann hoffen, dass irgendjemand, irgendwo auf der Welt das eigene Angebot findet… Unter Millionen und Abermillionen von Angeboten. Hoffen, dass eines Tages eine Spinne(*=Spider [erklären]) vorbeikommt, das eigene Angebot liest, indexiert und auf einer Suchmaschine suchbar macht. Vielleicht sogar findbar unter “1,000,000 entries found for your query”

Intelligente P2P-Technologie verspricht, einen Grossteil dieser Probleme zu lösen. Das eigene Angebot bleibt auf dem eigenen, heimischen Rechner. Eine Software, die lokal läuft indexiert das eigene Angebot auf eine intelligente Art und Weise, denn es weiss, dass Musik anders gesucht wird als Film, als Texte, als Bilder.

Der Anbieter kann sich mit Hilfe dieser Software selbst kategorisieren (Bsp: Musik -> Rock -> Hard Rock -> German Hard Rock ->…). Er kann sich sogar selbst zu sogenannten Interessengruppen zuordnen (Bsp: Musikthemen á la “Politische Inhalte -> Reaktionär”). Die Software indexiert das Angebot lokal und liefert den Index auf einen zentralen Server ab. Die Software weiss auch um lokale Änderungen und kann automatisch den zentralen Server aktualisieren, so dass dieser immer weiss, was beim Anbieter aktuell ist. Tote Links, alte Inhalte auf Suchmaschinen können so endlich eliminiert werden.

Mit der gleichen Software kann der Anbieter auch Konsument werden/sein und auf dem zentralen Server nach Angeboten suchen, die seinem Wunsch, seinem Geschmack entsprechen.

Höre ich da “Agent-Technologie”? Ja, so kann man es auch ausdrücken, unsere Branche hatte noch nie Probleme mit dem Erfinden von Hype-Begriffen. Ja, P2P verbindet auch die Webtechnologie mit der Agent-Technologie. Das kleine Stückchen Software, das auf dem Rechner des Konsumenten läuft, macht ihn/sie nicht nur gleichzeitig zum Anbieter sondern spielt auch die Rolle des Agenten. Sei es für den Konsumenten, dass er passende Angebote findet, sei es für den Anbieter, dass sein Angebot passend vermarktet werden kann.

Am Ende will der Konsument konsumieren, der Anbieter sein geistiges Eigentum vertreiben. Keiner von den beteiligten will Software nutzen, keiner will HTML schreiben, Server installieren, administrieren, die Nutzung von Suchmaschinen lernen. Wozu auch? Wenn ich Auto fahren will, muss ich auch nicht wissen, wie der Motor funktioniert. Ich muss im Notfall nur wissen, wen ich anrufen kann, damit das Auto wieder funktioniert(*=Ausnahmen bestättigen auch hier die Regel).

Wie schaffen wir es nun, dass unsere Künstler nicht verhungern?

Eines muss klar sein: Zwar kann jeder durch P2P auf einfachste Art und Weise weltweit publizieren, aber er hat dadurch auch den Nachteil, dass eben jeder publizieren kann. Die Konkurrenz wächst ins unermessliche, theoretisch kann jeder der derzeit 250 Millionen Internet-Nutzer (tendenz stark wachsend) im Internet publizieren und theoretisch müsste ein Musiker mit einer ebensolchen Zahl an Konkurrenten rechnen. Aber nur theoretisch, denn genausowenig, wie es durch die Einführung von DTP-Software in den 80ern alle zu “Publishern” wurden werden durch P2P alle Internet-Nutzer zu Künstlern, zu Produzenten von geistigem Eigentum. Denn geistiges Eigentum verlangt eine gewisse künstlerische Fähigkeit.So zum Beispiel habe ich nach mehreren erfolglosen Versuchen irgendwann eingesehen, dass ich kein guter, dass ich sogar ein miserabler Musiker bin und habe mich auf andere Sachen konzentriert, die ich besser kann. Ich will damit nicht sagen, dass es nicht irgendwo auf der Welt ein oder sogar zwei Menschen gibt, die meine 8/12-Ton-HeavyMetall-Rock-Blues-Country-Musik mit afro-chinesisch-türkischen-finnischen Rhythmus, die eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Geräusch hat, das eine Auto macht, wenn es im 4/8 Takt gegen Bäume fährt, als Ohrenschmaus bezeichnen würden, aber für mich wäre es einfach unrentabel mich darauf einzulassen. Zwei Fans! Mein Gott, was für ein Traum!

Viel interessanter ist eigentlich die Sicht, dass es für gute Urheberrechtsinhaber, also für gute Künstler, ein gigantischer Markt eröffnet wird, von dem sie vorher nicht mal zu träumen wagten: Schätzungsweise gibt es derzeit ca. 250 Millionen Internet-Nutzer. Oder auch 300. Tendenz stetig wachsend. Manche Auguren gehen davon aus, dass es in kürzester Zeit 500 Millionen sein werden, und auch 1 Milliarde. Mit Mobilkommunikationsgeräten der nächsten Generation werden es wahrscheinlich noch einmal 1 Millarde sein, die dazu kommen – als mögliche Konsumenten, denn die Mobilfunkgeräte sind dumme Endgeräte und werden in den ersten Versionen keine Möglichkeit bieten, als Anbieter von Inhalten aufzutreten. Insbesondere da dies derzeit von den Telekommunikationsunternehmen nicht nur nicht gesehen wird sondern sogar (selbst wenn man sie mit der Nase darauf stösst) ignoriert.

Um auf das eigentliche Thema dieser Ãœberschrift zu kommen: Wie schaffen wir es, dass unsere Künstler nicht verhungern?

Pay-per-Download ist die wahrscheinlichste Lösung.

Derzeit scheint mir als bestes Geschäftsmodell für das Internet im Bereich P2P ein Pay-Per-Download-Angebot zu sein. Dabei hoffe ich darauf, dass ein P2P-Anbieter ein Zahlungssystem einführt, wonach der Anbieter eines Inhalts festlegt, was der Download eines Angebots kostet. Und jeder, der es downloaded muss diese Gebühr entrichten. Der P2P-Anbieter fungiert als Clearing-Stelle, so dass weder der Anbieter noch der Konsument einander vertrauen müssen, sondern nur dem P2P-Anbieter (dem Betreiber des speziellen P2P-Netzes).

Der Betreiber berechnet dem Konsumenten die Gebühr und schreibt sie dem Anbieter gut – und behält eine gewisse Komission für die Zahlungsabwicklung.

Nach einer Xerox-Studie zum Fall Napster sind 70% der Napster-Nutzer Konsumenten und 30% Mitanbietern, d.h. 30% der Nutzer belassen Musik auf ihren Festplatten so, dass andere es von ihnen downloaden können. 70% scheinen sogenannte Egoisten zu sein. Wie wunderbar!

Unser Geschäftsmodell des Pay-Per-Download muss nur um einen kleinen Faktor geändert werden, damit der Egoismus ein signifikanter Bestandteil des Geschäftsmodells wird: Jeder, der ein Werk von einem Urheberrechtsinhaber downloaded und dafür zahlt, sollte dazu gebracht werden, dass er/sie es auf der eigenen Festplatte zum download für andere belässt.

Ein interessanter Aspekt eines intelligenten P2P-Netzes ist es, dass es Angebote im eigenen Netz wieder findet und dass es ihm (dem Netz) egal ist, von wo aus downloaded wird. Denn das Recht des Urhebers wird in diesem Netz allein dadurch gewahrt, dass das Werk immer wieder erkannt wird (anhand von Fingerprint-Technologien sollte dies keine allzu großen Probleme bereiten).

Dabei geht es weniger darum, illegale Kopien zu entdecken, sondern vielmehr darum ein sogenanntes “Distributed Distribution” aufzubauen, welches auf den Egoismus, auf die “Gier” des Menschen setzt: Jeder, der es in diesem P2P-Netz downloaded, zahlt an den Urheber. Unabhängig davon, ob sie es vom Urheber oder von einem anderen downloade (wir erinnern uns: Das Werk wird in diesem Netz immer wieder erkannt anhand des Fingerabdrucks). Damit diese “Disitributed Distribution” funktioniert, muss es einen Anreiz für Nutzer geben, das Werk auf ihren Festplatten zu lassen, so dass andere es downloaden können.

Dieser Anreiz ist Geld: Genauso wie der Betreiber des Netzes für die Zahlungsabwicklung eine gewisse Kommission einbehält sollte derjenige, von dessen Rechner aus das Werk downloaded wird, eine gewisse Kommission bekommen. Damit wird jeder Teilnehmer eines Netzes zum potentiellen Geschäftsinhaber (was die Finanzämter dazu sagen, kann ich derzeit leider noch nicht erraten ;-).

Wenn beispielsweise derjenige, von dessen Rechner aus downloaded wird, 5% des Endpreises als Kommission bekommt, muss von seinem Rechner nur 20 mal downloaded wird, damit er seine ursprünglich bezahlte Gebühr wieder eingenommen hat.

Durch diese Vorgehensweise nutzen wir die Gier und den Netzwerkeffekt, um geistiges Eigentum effektiv, schnell und erfolgreich zu vermarkten.

Noch zu erwähnen wären Features wie die Möglichkeit des Urheberrechtsinhabers, jederzeit den Preis zu ändern (beispielsweise könnte er/sie für einen Zeitraum von 1 Woche das Werk kostenlos anbieten, so dass es eine grosse Verbreitung findet und danach dafür wieder eine Gebühr verlangen). Jede Preisänderung wird im Netz sofort gültig (unser o.g. Agent meldet es dem Netz stante pede).

Raubkopie als Geschäftsmodell?

“Kopiert mein Werk so viel Ihr wollt!”, so könnte der Standardausspruch eines jeden Künstlers, eines jeden Urheberrechtsinhabers sein. Gerade in der Kopie wird der Erfolg liegen. Je mehr es kopieren, desto erfolgreicher kann der Urheberrechtsinhaber werden. Selbst wenn es sich um Raubkopien handelt.Für einen Urheberrechtsinhaber wird es ein einfaches sein, sein Werk gegen illegale Kopierer zu schützen: Er muss “nur” Mitglied in allen P2P-Netzen werden, in denen getauscht wird. Darüber hinaus wird er/sie sehr schnell den Effekt der Economies-of-Scale erkennen und über den Preis den “Kopierschutz” zu regeln wissen.

Es wird immer Leute geben, die für die Nutzung von geistigem Eigentum nichts bezahlen wollen. Aber an diesen Leuten sind noch keine Urheberrechtsinhaber zu Grunde gegangen. Und irgendwann wird es soweit kommen, dass solche Menschen als Schmarotzer, als Parasiten von der Gesellschaft selbst verachtet werden. Genauso wie die Raubritter der Jetzzeit: Musik-Labels, Film-Industrie, und Verlage.

Ein Aspekt des Netzwerkseffekts von geistigem Eigentum in P2P-Netzen darf niemals vergessen werden: Im Gegensatz zur auf Mangel aufbauenden Wirtschaft, in der durch Konsum das Produkt weniger wird, wird im Netzwerk das geistige Eigentum durch Konsum mehr.

In einem einfache Satz ausgedrückt: Je mehr ein Angebot konsumiert wird, desto mehr wird es! Umso interessanter ist jedoch noch ein Aspekt: Je mehr ein Angebot konusmiert wird, desto höher wird der Wert dieses Angebotes!

Genau in dieser Erkenntniss liegt der Grund des wahrscheinlichen Untergangs vieler Industriezweige in den kommenden 5 bis 10 Jahren. In dieser Erkenntnis wird die Veränderung der Gesellschaft liegen.

Diese Erkenntnis, wenn wir es verbreiten, wenn wir es in der Presse, in der Öffentlichkeit bekannt machen, wird die Welt verändern:

Konsumiert, damit es mehr wird! Konsumiert, damit der Wert steigt!

San Francisco-München, 19. Februar 2001