Die Rolle des Chief Knowledge Officer – oder: Wissen, was Wissen ist

“Weit grösser ist die Gefahr beim Einkauf von Wissensvorräten als von Speisevorräten. Speisen und Getränke nämlich kann man, wenn man sie von einem Krämer oder Kaufmann eingehandelt hat, in besonderen Gefässen forttragen und, bevor man sie durch Trinken oder Essen in den Leib aufnimmt, im Hause stehen lassen und unter Zuziehung von Sachverständigen sich Rats holen, was davon sich zum Essen und Trinken empfiehlt und was nicht und wieviel und wann. Mit dem Kauf hat es also hier keine weitere Gefahr. Kenntnisse aber kann man nicht in einem besonderen Gefässe wegtragen, sondern hat man einmal den Kaufpreis erlegt, so muss man sie unmittelbar in die Seele aufnehmen und sich mit ihrem Besitze abfinden, gleichviel, ob es einem zum Schaden oder Nutzen ausschlägt.” (Sokrates)Platon, Protagoras 5

“Kein Europäisches Gipfeltreffen endet heutzutage, ohne dass die Verantwortlichen darüber diskutieren und Pläne entwerfen, wie Europa die wettbewerbsstärkste Wissensbasierte Wirtschaft der Welt sein kann “.

Die Notwendigkeit der Wandlung in eine wissensbasierte Gesellschaft und Wirtschaft wurde zuerst in der Lissabon-Agenda im Jahre 2000 verankert. Seither hat sich Europa stark verändert (nicht zuletzt durch die Aufnahme von zehn neuen Mitgliedern), dem Wunsch jedoch, die wettbewerbsstärkste wissensbasierte Wirtschaft der Welt zu werden, ist Europa laut dem Bericht von Wim Kok, ehemaliger Premierminister der Niederlande, den er am 4./5. November 2004 präsentierte, keinen Schritt näher gekommen .

Ganz im Gegenteil zeigt Wim Koks Bericht sogar, wie viel Boden Europa an Asien und Amerika verloren hat, wie sehr die europäischen Gesellschaften unter den steigenden sozialen Lasten leiden und dass sich in Europa “hässliche politische Kräfte manifestieren.”

Die Notwendigkeit der Wandlung hin zu einer wissensbasierten Gesellschaft ist jedoch nicht nur eine politische, sondern auch (oder gerade) eine wirtschaftliche Aufgabenstellung. Die Lissabon Agenda ist weniger ein Aufruf an die Politik, sich zu ändern, als vielmehr an die Unternehmen, die Anforderungen zu definieren, die notwendig sind, damit wissensbasierte Strukturen entstehen und gedeihen können, damit aus Information Wissen wird und aus Wissen Wohlstand.

Die Unternehmen müssen darüber hinaus strategische Ziele definieren, Rahmenbedingungen schaffen und Wissen und die Nutzurng dessen an erste Stelle im Unternehmen stellen, damit sie für die Zukunft – für die Wissensbasierte Wirtschaft – gerüstet sind.

Wissen ist, neben Finanzkapital und Humankapital, die dritte grosse tragende Säule eines Unternehmens. Auf die Frage von Dr Natau und Professor Seghezzi (ITEM, Universität St. Gallen), ob Wissensmanagement und die notwendige Position eines Chief Knowledge Officer (CKO) nicht eine Modeerscheinung sei (wie seinerzeit der Chief Logistics Officer) gab es und gibt es nur eine einzige Antwort:

Alles, was Unternehmen nicht outsourcen können, ohne dabei ihre Existenzberechtigung aufzugeben, d.h. alles, was den kleinsten gemeinsamen Nenner aller Unternehmen ausmacht, muss eine zentrale Rolle bekommen. Dabei handelt es sich letzlich nur um drei Elemente:

  1. Financial Capital
  2. Human Capital
  3. Inntellectual Capital

Was uns jedoch bisher fehlt ist die wirtschaftliche (monetäre) Bewertung von 2. und 3. für den Unternehmenserfolg.

Im Rahmen meines MBA 2003-2005 habe ich mich intensiv mit dem Thema “Wissensmanagement” und “Chief Knowledge Officer” beschäftigt. Daher lautete meine Master Thesis auch: “Die Rolle des Chief Knowledge Officer im Allgemeinen und in der Medienbranche im Speziellen*” (PDF), welches ich hier zum Download anbiete.

Ziel dieser Arbeit war es, eine zentrale Rolle im Unternehmen zu spezifizieren, deren Aufgabe es sein wird, Wissen zu sammeln, zu verwalten und zu nutzen, um das Unternehmen innovativer und dynamischer zu gestalten und damit die Wettbewerbsposition des Unternehmens zu stärken bzw. weiter auszubauen. wurde diese Rolle im Allgemeinen für alle Unternehmen und im Speziellen für die Medienbranche definiert und erläutert. Diese Rolle wurde als Chief Knowledge Officer (CKO) tituliert.

In einer weiteren Fassung, an der noch gearbeitet wird, soll noch erläutert werden, wie dieses Wissens monetär bewertet, abgeschrieben und davon abgeleitetet Wissen eingestuft werden kann.

Wissen ist und bleibt das Kernelement unserer Wirtschaft.

Die Wirtschaft der entwickelten Länder wird nicht mit den Produktionskapazitäten von China oder Indien konkurrieren können. Diese Länder haben darüber hinaus Kostenvorteile, mit denen ein Deutschland, Japan oder USA in keinster Weise konkurrieren kann. Aber Deutschland, Japan oder USA – oder vielmehr die Wirtschaft dieser Länder – kann auf Wissensebene, auf der Ebene der Innovation und auf der Ebene des Managements Erfahrungen und Wissen bringen, die diese Länder nicht haben – oder noch nicht haben.

Wenn der Wettkampf nicht gewonnen werden kann, dann muss man entweder die Regeln, die Arena oder gleich den gesamten Wettkampf ändern: eine auf Wissen basierende Wirtschaft, anstelle von Maschinen, Fabriken und Naturrohstoffen ändert die Regeln, die Arena und den gesamten Wettkampf. Es wird ein Wettkampf, den europäische Firmen wieder gewinnen können – denn es gibt eine neue Strategie: Wissen und Finanzkapital statt Naturrohstoffe und Maschinen.

*: Die Master Thesis ist Copyright (c) 2005 Imdat Solak. Alle Rechte vorbehalten. Eine Veröffentlichung ohne Genehmigung ist nicht gestattet. Private, wissenschaftliche oder firmeninterne Nutzung ist explizit gestattet. Bei einer firmeninternen Nutzung bitte ich jedoch um Belegexemplare. Benutzung von Ausschnitten in Präsentation ebenfalls erlaubt, wenn Belegexemplare dieser Präsentation an mich zugesandt werden.