Wiedermal geht ein Gespenst um in Europa: “Ökonomischer Nationalismus”

Der Economist hat einen Leitartikel zum Thema “Economic nationalism” in Europa, in welchem die Vorgehensweisen der verschiedenen Länder bei grenzüberschreitenden Fusionen und Übernahmen kritisiert werden.

So hat bspw. Dominique de Villepin, der französische Premierminister, auf die Schnelle eine Fusion zwischen Gaz de France und Suez vereinbart, damit bloss nicht ein italienisches Unternehmen Suez aufkaufen kann.

Gleichzeitig versuchen Frankreich und Luxembourg die Übernahme der “luxemburgischen” Stahlfirma Arcelor (die übrigens ihrerseits gerade eine kanadische Stahlfirma übernehmen durfte, ohne dass die kanadische Regierung auch nur den geringsten Kommentar dazu abgegeben hat) durch die “indische” Stahlfirma Mittal zu verhindern. Interessant ist, dass weder Arcerlor “luxemburgisch” in dem Sinne ist, dass es zum grossen Teil Luxemburg gehört noch dass Mittal indisch in dem Sinne, dass es seinen Sitz in Indien hat, denn Mittal ist rechtlich eine in Luxemburg ansässige Firma…

Der Economist schreibt auch in diesem Leitartikel:

“[This all] would gladden the heart of Karl Marx, [whose] view was that ownership, and hence the power to exploit, was all; hence socialist goverments’ fateful desire to nationalise ‘commanding heights’ of their economies. Does Britain suffer because French firms (eg, EDF and Suez) already own large British electricity and water utulities? no: they are subject to exactly the same regulations and labour laws as any other utilities. Would the management of six American ports give DP World control over security there? No: as with anay port or airport, it is controlled by the governement. The laws of the land and the reach of state or federal agencies are aunaffected.

Cui bono?
“Wem nützt das ganze also?” fragt man sich. Nützt es eigentlich der Gesellschaft, den Menschen auf der Strasse, wenn die Firmen verstaatlicht, bzw. nationalisiert werden?

Gleiche Diskussion gab es natürlich auch nach dem gescheiterten Übernahmeversuch der ProSiebenSat.1 AG durch die Axel Springer AG. Man sprach, auch in Deutschland, von einer nationalen Lösung, die dann gefunden werden muss bzw. dass jetzt eine nationale Lösung für ProSiebenSat.1 gar nicht mehr möglich ist (wobei in diesem Zusammenhang eine bis dahin obskure Institution namens KEK endlich mal ihre Existenzberechtigung unter Beweis stellen durfte in dem sie den Kauf verhinderte).

Man muss das (a) sich auf der Zunge zergehen lassen, und (b) eigentlich gross schreiben als “Nationale Lösung”, denn so wie unsere Politiker auch in Deutschland aufschreien, wenn eine deutsche Firma von einer Ausländischen aufgekauft wird, ja gar von einer Heuschrecke, so sehr schreien sie auch auf, wenn z.B. die spanische Regierung die Übernahme der Endesa durch eine deutsche Firma verhindern will – und nennen es “Protektionismus”.

Was wird hier eigentlich geschützt? Wenn die britische VSS kommt und den Berliner Verlag aufkauft, dürfen wir versuchen, das zu verhindern, wenn aber Eon die Endesa kaufen will und die spanische Regierung aufschreit, darf sie das nicht?

Aber wenn wir von Deutschland reden, dürfen wir unser herzallerliebsten Nachbarn, die Franzosen natürlich nicht vergessen. Wenn die nachfolgenden Generationen mal in hunderten von Jahren über Protektionismus schreiben, werden sie mit hoher Wahrscheinlichkeit immer Frankreich als Beispiel anführen.

Der Deal zwischen Suez und Gaz de France wurde, so wird berichtet, an einem Wochenende von de Villepin aus eingeleitet, in dem er die Vorstände der beiden Firmen auf seinen Sitz einlud – so kurzfristig, wie es fast gar nicht mehr geht. Bei dieser Sitzung wurde dann von de Villepin den beiden Vorständen die Fusion “nahegelegt”. Wir Liberalen in Europa können nur hoffen, dass die Europäische Kommission hier eingreifen und die Fusion bzw. die dadurch verursachte Regulierung verhindern kann, da wohl Suez nur 1/3 ihres Umsatzes in Frankreich macht.

Frankreich, diese Hochburg des Chauvinismus in Europa, hat übrigens eine Liste von 11 Wirtschaftssektoren aufgestellt, die als “National-Strategische Sektoren” definiert wurden und in denen “französische” Unternehmen juristischen Schutz vor “fremden” Übernahmeversuchen geniessen… Aber französische Firmen sollen natürlich im Ausland weiterhin kaufen, andere Firmen übernehmen dürfen. “Doppelzüngigkeit, Nationalismus, Chauvinismus – dein Name ist Frankreich!”

Nochmal: “Cui bono – wem nützt das?” – Wem nützt Protektionismus? Dem Verbraucher? Dem Wähler? Warum soll die Deutsche Bank, deren Aktionärsstruktur eh bereits ziemlich international ist, nicht von der, sagen wir mal, CitiGroup übernommen werden können? Wem nützt es, wenn die Deutsche Bank “deutsch” bleibt? Wem nützt es, wenn Gaz de France französisch bleibt? Wem nützt es, wenn Endesa spanisch bleibt? Und was heisst hier “National”? Deutsch? Deutsch-National????

Es wird Zeit, dass wir mit diesem Unsinn aufzuhören, denn es nützt nicht dem “Kleinen Mann” (ja, auch den müssen wir endlich gross schreiben), sondern anderen – oder wie es der Economist so schön ausdrückt:

“What is affected, however, is the ability of governments and of individual politicians to use patronage at favoured firms to help their friends, to get favours in return, to support special interests such as trade unions, and, in broad political terms, to paint themselves as patriots. Consumers aren’t helped, living standards don’t rise, the nation as a whole is not better off. But the political and corporate elite may well be.” (Economist, March 4th, 2006; p11)

In diesem Sinne: Jede Form von Protektionismis (Zölle, Übernahmelimitierung, Regulierung dieser Form) schadet eher dem Kleinen Mann – aber da es dem “grossen Mann” nutzt, wird es natürlich weiter gemacht – im Namen des Patriotismus. So ändern sich die Zeiten eben… oder auch nicht:

“The logic for cross-border mergers in Europe may be compelling. But -as some politicians discovered in 1914- economic rationalism is sometimes swamped by atavistic nationalism.” (Economist, March 4th, 2006; p58)

Nachruf: Achja, der Nachruf, den habe ich vergessen. Also, hier der Nachruf auf Fazio, dem Ex-Zentralbankchef Italiens. Italien ist in dieser Hinsicht natürlich auch nicht besser, nur erst nach monatelangen Appellen und der Drohung der EU-Kommission den Vorgang doch mal detailliert zu analysieren, hat dieser ehrlose Mensch seinen Posten aufgegeben… Aber die italienische Regierung ist ja auch nicht besser, … nur das ist wiederum ein anderes Thema….